Beitrag von Michael Buchheit
Der neue sportliche Höhepunkt der Amrum-Challenge 2019 waren die C1x Beach Sprints im Last-8 Modus über 500m. Das neue Beach Sprint Format der FISA soll, ähnlich wie Beach-Volleyball, eine Beach Arena zum Toben bringen und in Zukunft als World Series vermarktet werden. Zur europäischen Premiere auf Amrum gab es zudem noch ein Preisgeld von 400 Euro für den Sieger und 200 Euro für Silber.
Im Männer-Einer, CM1x, auch „Solo“ genannt, hatten 20x Ruderer gemeldet. Mit Hilfe von Amrum Touristik waren auch der Weltmeister Eduardo Linares und der Vize-Weltmeister Lars Wichert an den Start gekommen.
Mit einsetzender Flut konnten die flacher gebauten Einer als erste wieder aufs Wasser gehen. In vier Vorläufen wurden über ein Time Trial die Last-8 für zwei Halbfinale ermittelt. Eduardo Linares war hierbei der Schnellste in 3:08 min., knapp vor Frederik Mann und Lars Wichert.
Auf Grund der Springflut und des starken Windes kam das Wasser dann wesentlich schneller wieder zurück als normal, so dass die bei Ebbe eingerichtete, vorgelagerte Startlinie auf dem Strand um 200m nach hinten verlegt werden musste, um hinreichend ähnliche Bedingungen für alle Vorläufe zu gewähren.
Anders als auf den letzten beiden Coastal Rowing Weltmeisterschaften, die auch im Renneiner ruderbar gewesen wären, sind die Bedingungen auf Amrum wahrlich perfekt für Coastal Rowing. Es gibt wohl kein Gewässer, wo auf einer so kleinen Wasserfläche von 500x100m, so viele Kräfte einwirken. Brechende Wellen am Strand, große Wogen bei der Wendeboje, Wellen, die spitz auf den Strand laufen und jede Welle leicht anders ausgerichtet, aufgrund der vorgelagerten Sandbänke, dazu immens starke Unterströmung quer zum Ruderkurs und zunächst auch noch ein starker Wind aus SSW, obendrauf die einlaufende Flut und die Gezeitenkräfte.
Somit waren neben den ruderischen Vortriebskräften und Einsteigen/Aussteigen, vor allem die seemännischen Künste gefragt, wie Manövrieren & Navigieren, Wellenschneiden & Wellenreiten. Ebenfalls bewunderswert, wie schnell einige Teilnehmer nach einem Rodeo-artigen Abgang, im wilden Wasser wieder ins Boot eingestiegen sind, mancher auch mehr als einmal in einem Rennen. Die größte Bewunderung erhielt jedoch Eduardo Linares, der Weltmeister, der seit fünf Jahren im CM1x rund um die Welt Titel gewinnt. Mit höchster Schlagzahl, mal mit, mal ohne Rollbahn, schien er wie ein Buckelpisten-Skifahrer mit wildem Stockeinsatz über die Wellen zu hüpfen.
Das in einem Coastal Rowing Rennen sehr viele Faktoren entscheidenden Einfluss haben können, hatte Frederik Winter im Halbfinale gezeigt. Letztlich schlug er den bei der Anlandung und im Laufspurt stark aufkommenden Weltmeister mit einem verzweifelten Hechtsprung über die Ziellinie mit 0,1 sek und gewann das erste Halbfinale in magischen 2:59,8 min. „Es war krass, ich musste auf der Rückfahrt gar nichts tun. Ich habe nach der Wende drei Wellen hintereinander mitnehmen können und bin eigentlich ohne Kraft ins Finale gesurft.“
Das bei einer kurzen Sprintstrecke auf so einem einzigartig intensiven Parcours ruderische Sensationen nicht ungewöhnlich sind, sah man in dem selben Halbfinale gleich nochmal. Lars Wichert, Vizeweltmeister, konnte sich trotz einer großartigen Ruderleistung nicht für das Finale qualifizieren. Sein Rollsitz hatte sich direkt am Start verkantet und in der Brandung hat ihn das Wiedereinklinken des Rollsitzes in die Rollschienen entscheidende Sekunden gekostet. Abgeschlagen machte er sich mit seinen überlegenen, olympischen Kräften an die Verfolgung und war im Ziel sogar bis auf 1 Sek. an den vor ihm liegenden Dritten, Maximilian Bitter, rangerudert, aber eben nicht für das Finale qualifiziert.
Im zweiten Halbfinale konnte sich Till Andreesen in einem ereignisreichen, spannenden Rennen durch eine fehlerfreie Fahrt gegen seinen eigenen CM2x Partner, Dennis Engelke, mit 2 Sek. Vorsprung um den für die Finalqualifikation entscheidenden, zweiten Platz durchsetzen. Und das dies auch entgegen der Rangordnung war, die in ihrem Doppelzweier galt, konnten die Zuschauer deutlich hören 😉 Platz 1 in diesem Halbfinale belegte souverän Frederik Mann, der mit großem Vorsprung in sehr guten 3:03,3 min. gewann.
Damit war das Finale vollständig und auch der Favorit stand fest: Frederik! Denn so hießen beide Halbfinal Sieger. Das aber Finals ihre eigene Geschichte schreiben ist bekannt. Umso spannender ging es los. Denn der Favorit, Frederik, ging nach dem Spurt zum Boot durch schnelleres Einsteigen und günstige, erste Wellen sofort in Führung. Und zwar der Frederik vom Wannsee, Winter, während der von der Alster, Mann, zwei Längen dahinter, an dritter Stelle lag. Dazwischen der Weltmeister Eduardo Linares.
Und dann fing die eigene Geschichte des Finales an, und zwar so, wie es der führende Frederik (Winter), beschrieb: „Ich lag nach dem Start eigentlich vorne und dann ist Eduardo wie eine Kanonenkugel an mir vorbei geflogen.“
Der Weltmeister baut seine Führung in einem Rutsch auf vier Längen aus, und das noch vor der Wendeboje. Nach der rekordverdächtigen, blitzsauberen Wende war die Entscheidung gefallen, er ruderte auf und davon, konnte sofort zwei Wellen hintereinander nutzen und surfte mit einer enormen Geschwindigkeit spitz zur Beach-Arena von links nach rechts quer über die gesamte Regattafläche Richtung Strand.
Seemännisch war dies die richtige Entscheidung, ein längerer Weg, aber mit einer sehr hohen Geschwindigkeit. Viele Ruderer, für die das Wasser normalerweise die Bedeutung und Aufmerksamkeit hat, wie der Hallenboden für Handballer, also quasi gar keine, machten kurz vor dem Strand, meist auf einer Welle reitend, den tragischen Fehler, aus der Welle raus zu steuern und den kürzesten Weg zum Strand zu wählen. Dies wurde unweigerlich von den dann seitlich anlaufenden Brandungswellen dramatisch bestraft und zwar mindestens mit Manövrierunfähigkeit und häufig auch mit Kenterung … das Ziel vor Augen.
Der Weltmeister ignorierte die Verlockung des kurzes Weges und kam deswegen, genau mit der Welle rudernd, weiter seitlich entfernt von der Ziellinie, aber mit einem riesigen Vorsprung, elegant raus auf den Strand, und ging würdevoll, unter großem Applaus der Zuschauer, nach 2:45,1 min. (Kursrekord) über die Ziellinie, und das mit 13sek. Vorsprung vor…. Frederik!
Und welcher Frederik? Das war jetzt wirklich nicht leicht zu sagen. 2x zeitgleiche Hechtsprünge, 1x Fotofinish und beide Frederiks lagen nach eigenen Bestzeiten von 2:58 min. im herrlich feinen Amrumer Sand hinter der Ziellinie!
Das Zielgericht war sich sicherer, als sich jeder Zuschauer sein konnte, Frederik Winter, Ruderklub am Wannsee, gewann die Silbermedaille. Frederik Mann, Favorite Hammonia Hamburg, wurde Dritter und Till Andreesen, der Wikinger, der für Thames Rowing Club gemeldet hatte, machte das erste Finale im Beach-Sprint als Vierter komplett.
Und was für ein Finale es gewesen war, voll & ganz im Sinne der Erfinder des Beach-Sprints, möchte man meinen. Die folgenden Bilder erzählen noch einmal, mit mehr als 1.000 Worten, die Final-Geschichte.